Kinder sind neugierig

Interview von Anina B. aus Schaffhausen mit Christiane Kutik

Schweiz 11.2017

1. Was verstehen Sie unter Freispiel?

Freispiel heisst für mich: dem Kind im Tagesablauf feste Freiräume zugestehen. Ohne Programm, in denen es ungehindert experimentieren kann. Das Entwickeln eines freien Menschen beginnt beim Freispiel.

2. Welche Bedeutung hat für Sie das Freispiel?

Das Freispiel hat eine zentrale Bedeutung für eine gesunde kindliche Entwicklung. Weil hier die Kinder aus eigener Idee etwas tun können, ohne zurechtgewiesen zu werden. Sie können ihre Fantasie ausprobieren und dabei neue Fähigkeiten entwickeln

3. Denken Sie, dass man das Freispiel fördern sollte, wenn ja wie?

Ja unbedingt. Damit sich das Kind in seinen Möglichkeiten selber kennenlernen kann. Zum Beispiel gelingt das draußen. Wenn wir hinausgehen mit den Kindern in eine spielanregende Umgebung, wie etwa eine Waldlichtung, eine Kiesgrube oder am Bachufer. – Auch für drinnen entwickelt sich das Freispiel am besten dadurch, dass Kinder wenige fest definierte Spielsachen haben.

4. Welche Wirkung hat das Freispiel auf das Kind?

Die in jedem Kind angelegte Kreativität kann sich entfalten.

5. Welche Rolle hat der Erwachsene im Freispiel?

Der Erwachsene sollte Bedingungen schaffen. Und sich nicht einmischen.

6. Was halten Sie von der Frühförderung der Kinder?

Ich halte gar nichts davon. Erst soll man das freie Spielen fördern, denn dabei ist das Kind mit allen Sinnen aktiv und bewegt sich viel. Durch Eigenbewegung erlangt das Kind Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit. Dadurch formt sich das Gehirn. Das Spielen kann nicht nachgeholt werden. Den Vorsprung den die Kinder haben, die gefördert wurden, holen die Kinder, die nicht gefördert wurden, in der Schulzeit wieder auf. Es lohnt sich nicht, das Kind zu früh zu fördern, man nimmt ihm nur das Spielen.

7. Welche Auswirkungen kann die Frühförderung haben?

Es kostet viel Geld. Oft üben Eltern Druck auf die Kinder aus (Gedanke des Kindes: Ich bekomme nur die Zuwendung der Eltern, wenn ich etwas kann.)

8. Kann die die kognitive Frühförderung Auswirkungen auf den Körper haben

Die Bewegungsgeschicklichkeit der Kinder ist oft nicht altersgemäß, da Kinder zu viel sitzen.

9. Welche Rolle hat die Wirtschaft dabei?

Es ist ein Riesengeschäft!

10. Was halten Sie von Englischkursen für Säuglinge?

Nichts. Wichtig ist zuallererst der Erwerb der Sprache der Eltern.

11. Was halten Sie von der Babyzeichensprache? Ist die sinnvoll?

Wichtig ist, dass Eltern ihrer Intuition vertrauen und sich auf ihr Baby wirklich einlassen. Damit das gelingt, braucht es bewusst Handy freie Zeiten. Meine Devise: Beobachte dein Kind und du wirst es lesen lernen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine herzliche Interaktion zwischen Eltern und Kind grundlegend ist. Also die Eltern sollten ihre Funktion als Eltern wichtig nehmen.

12. Glauben Sie, dass die heutigen Eltern zu viel von allen Seiten beeinflusst werden und gar nicht mehr wissen, was eigentlich wichtig für das Kind ist? (Internet, Tabellen, gleichaltrige Kinder ect.)

Ja, das ist so.

13. Was vermuten Sie, welches Motiv haben die Eltern, um ihr Kind früh zu fördern?

Eltern wünschen sich, dass ihr Kind später mal Anschluss an die immer rauher werdende Arbeitswelt schafft. Ein Beispiel habe ich von einer Mutter, die sich für ihr dreijähriges Kind bei einer guten Firma einen Führungsposten erhofft. Deswegen schickt sie es in Mathematik- und Sprachkurse.

14. Denken Sie, dass es einen Zusammenhang geben könnte zwischen der Frühförderung und den psychischen Problemen der Kinder oder deren schwierigen Verhaltensauffälligkeiten?

Vielleicht sekundär. Das primäre Problem ist, dass die Eltern häufig nicht die Elternrolle ergreifen. Vielen Kinder fehlt der Halt, Grenzen und die Geborgenheit.

15. Welchen Rat würden Sie Eltern geben, die nicht wissen, wie sie ihr Kind unterstützen sollten?

Ich würde ihnen sagen, wie wichtig es ist Kinder gut wahrzunehmen. Dann kann jeder bemerken, mit welcher natürlichen Neugier sie auf die Welt kommen – und dass Spielen der Hauptberuf der Kinder ist. Die Kinder sollten wenigstens bis 12 unbehelligt spielen und Kind sein dürfen.

Vielen Dank für das Interview!

Ein weiterer Artikel zum Thema Spielen erschien in „a tempo Febr. 2014“

 

 

Foto: RainerSturm / pixelio.de